Laut Gartner Research ist der durchschnittliche Mitarbeiter pro Jahr mit bis zu zehn unternehmensweiten Veränderungsprojekten konfrontiert. Diese können von Umstrukturierungen zur Effizienzsteigerung über einen Kulturwandel bis hin zu New Work oder einem neuen IT-System reichen. Doch selbst positive, gut gemeinte Veränderungen können Mitarbeiter überfordern, wenn das Volumen oder Tempo der Projekte zu hoch ist. Dies führt zu einem Phänomen, das gemeinhin als „Veränderungsüberlastung“, „Veränderungsmüdigkeit“ oder „Veränderungssättigung“ bezeichnet wird. Gartner gibt an, dass über 45 % der Mitarbeiter unter Change Fatigue leiden, während 25 % sogar von Burnout aufgrund übermäßiger organisatorischer Veränderungen berichten. In diesem Blogbeitrag untersuchen wir, was Change Overload bedeutet, warum es auftritt und wie Führungskräfte damit umgehen können.
Soziale und emotionale Aspekte von Veränderungsmüdigkeit
In den letzten 20 Jahren waren wir bei viadoo an vielen multidimensionalen Veränderungen beteiligt, die von oben initiiert wurden. Einmal wurden wir von einem Unternehmen mit mehr als 30.000 Mitarbeitern gebeten, einen Transformationsprozess mit mindestens 13 verschiedenen Veränderungsprojekten parallel zu unterstützen. Viele davon wurden von Mitgliedern der Geschäftsleitung gesponsert. Darüber hinaus waren etliche Projekte voneinander abhängig. Das bedeutet, dass ein Projekt erst in Angriff genommen werden kann, wenn ein anderes abgeschlossen ist. In solchen Fällen schlagen wir immer Alarm.
Denn unsere Erfahrung zeigt, dass Transformationen ohne ausreichende Verschnaufpausen oder ohne klare Kommunikation viel kognitive, physische und emotionale Ressourcen der Beschäftigten verbrauchen. Ab einem bestimmten Punkt sind diese jedoch erschöpft. Dann breitet sich Veränderungsmüdigkeit in der gesamten Organisation aus: Motivation, Leistung, Identifikation und Produktivität sinken rapide. Die Menschen ziehen sich zurück und schmieden eigene Pläne. Fachkräfte erwägen, zu kündigen oder reichen tatsächlich ihre Kündigung ein.
Infolgedessen steigt das Risiko des Scheiterns. Dies ist in 70 bis 85 Prozent aller Veränderungsprojekte der Fall. Dies gilt insbesondere, wenn Ihre Organisation eine Veränderungsgeschichte mit einer Reihe von Projekten hat oder wenn noch einige davon im Gange sind. Insgesamt hat eine Überlastung durch Veränderungen viele soziale und emotionale Auswirkungen:
Soziale Auswirkungen (Auswahl):
- Spannungen zwischen Kollegen: Es können falsche Erwartungen hinsichtlich Rollen und Verantwortlichkeiten entstehen, die zu Reibungen und Konflikten führen.
- Soziale Isolation: Mitarbeiter, die sich überfordert fühlen, ziehen sich oft sozial zurück. Sie vermeiden möglicherweise Gruppendiskussionen über die Veränderungen oder distanzieren sich vom Team, um damit fertig zu werden, was die Zusammenarbeit insgesamt verschlechtert.
- Verlust des Selbstvertrauens: Dieser Verlust an Unterstützung kann ihr Vertrauen sowohl in das Unternehmen als auch in sich selbst schwächen.
- Vertrauensverlust in die Führung: Beschäftigte könnten den Eindruck gewinnen, dass Führungskräfte keinen kohärenten Plan haben, insbesondere wenn frühere Initiativen gescheitert sind oder sich widersprochen haben.
Emotionale Auswirkungen (Auswahl):
- Angst vor dem Scheitern in neuen Rollen oder mit neuen Fähigkeiten: Anhaltender Stress kann zu ernsthaften psychischen Problemen eskalieren, wenn er nicht angegangen wird.
- Wachsender Widerstand: Anstatt sich enthusiastisch in eine neue Software einzuarbeiten oder eine neue Richtlinie zu übernehmen, zeigen Beschäftigte passiven oder aktiven Widerstand. Mit der Zeit kann es zu Burnout kommen, was zu einer höheren Fluktuation und Fehlzeiten führt.
- Verlust der psychischen Gesundheit: Die konstante Notwendigkeit, sich weiterzubilden und anzupassen, kann die kognitiven Fähigkeiten erschöpfen, was sich wiederum auf das allgemeine Wohlbefinden und letztlich auf die Leistung auswirkt.
- Nachlassendes (emotionales) Engagement: Die Mitarbeiter stehen jeder neuen Ankündigung oder Initiative skeptisch gegenüber und zeigen „Veränderungsapathie“ – das Gefühl, dass „auch das vorbeigehen wird“, warum also Energie investieren?
Wie Führungskräfte Veränderungsmüdigkeit verhindern können
Als Führungskraft können Sie Veränderungsmüdigkeit vermeiden. Das ist jedoch selten einfach, da Sie sich in der Regel gegen Ihre eigenen Vorgesetzten oder sogar gegen den Vorstand oder die Geschäftsleitung stellen müssen. Denn genau diese sind den meisten Zwängen wie Zeit- und Kostendruck ausgesetzt, die wiederum Ihrem Ziel, eine Überlastung durch Veränderungen zu vermeiden, entgegenstehen. Um dies dennoch zu erreichen, können Sie in Ihrem Verantwortungsbereich folgende Maßnahmen ergreifen:
1. Stellen Sie die Veränderungen auf den Prüfstand
Überprüfen Sie alle aktuellen und anstehenden Initiativen, um deren Umfang, Zeitplan und die Anforderungen an die Beschäftigten zu ermitteln. So können Führungskräfte Überschneidungen oder potenziell widersprüchliche Prioritäten erkennen und Veränderungen so aufeinander abstimmen oder reduzieren, dass die Teams nicht überfordert werden.
2. Priorisieren und ordnen Sie Veränderungsprojekte
Ordnen Sie Initiativen nach ihrer strategischen Bedeutung, Machbarkeit und Auswirkung auf die Mitarbeiter. Geben Sie dieses Wissen nicht nur innerhalb des Führungsteams weiter. Verschieben Sie nicht dringende Programme. Wenn Sie sicherstellen, dass Ihre Leute nur ein oder zwei größere Veränderungen gleichzeitig bewältigen müssen, können diese ihre Energie und Konzentration auf das Wesentliche fokussieren.
3. Kommunizieren Sie transparent und regelmäßig
Erläutern Sie die Gründe für jede Veränderung, formulieren Sie klare Erwartungen und teilen Sie mit, wie der Fortschritt gemessen wird. Informieren Sie regelmäßig über den aktuellen Stand, feiern Sie Meilensteine und gehen Sie ehrlich mit Rückschlägen um. Transparenz und ein offener Dialog können Ängste abbauen, Vertrauen schaffen und ein gemeinsames Zielbewusstsein fördern, wodurch der mit „Unbekanntem“ verbundene Stress gemindert wird. Laut einer Studie von Gartner kann dieser Schritt den Erfolg von Veränderungen um 32 % steigern.
4. Stellen Sie ausreichende Ressourcen und Unterstützung bereit
Bieten Sie Schulungen, Mentoring oder Coaching an, um sicherzustellen, dass die Beschäftigten über die erforderlichen Fähigkeiten und emotionale Unterstützung verfügen, um jedes neue Projekt zu bewältigen. Legen Sie realistische Zeitpläne und Arbeitsbelastungen fest. Menschen, die sich für den Umgang mit Veränderungen gut gerüstet fühlen, werden sich weniger dagegen wehren. Tools und Schulungen erleichtern den Übergang und helfen den Beschäftigten, während des gesamten Prozesses ihr Vertrauen zu bewahren.
5. Fördern Sie gemeinsame Entscheidungsfindung
Beziehen Sie die Beschäftigten in die Gestaltung der Umsetzung von Veränderungen ein, bitten Sie sie um Ideen, hören Sie sich ihre Bedenken an und erwägen Sie die Einführung neuer Prozesse in Pilotprojekten. Zusammenarbeit kann das Engagement und die Akzeptanz erhöhen und gleichzeitig praktische Erkenntnisse von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hervorbringen, die direkt von neuen Arbeitsabläufen oder Richtlinien betroffen sind. Laut einer Studie von Gartner kann die Beteiligung der Betroffenen die Erfolgsquote von Veränderungen um 15 % erhöhen.
6. Überwachen Sie das Wohlbefinden der Mitarbeiter
Andy Karr, Vice President im Bereich HR bei Gartner, bringt es auf den Punkt: „Beschäftigte in Veränderungsprozesse einzubeziehen, ist notwendig, aber nicht ausreichend.“ Schaffen Sie daher zusätzlich ein Umfeld der psychologischen Sicherheit, wenn Sie möchten, dass diese Einbeziehung produktiv ist. Fördern Sie einen offenen Dialog und bieten Sie Möglichkeiten für Feedback (z. B. Pulsbefragungen, Fokusgruppen oder Einzelgespräche). Achten Sie auf Anzeichen von Burnout, wie verpasste Termine oder erhöhte Fehlzeiten. Durch frühzeitiges Erkennen von Ermüdungserscheinungen können rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden. Regelmäßige Check-ins signalisieren, dass Führungskräfte sich wirklich um das Wohlbefinden ihrer Leute kümmern, was das Vertrauen stärkt und die Widerstandsfähigkeit fördert.
7. Feiern und verstärken Sie Erfolge
Anerkennen Sie individuelle und teambezogene Erfolge im Zusammenhang mit der Veränderung. Bieten Sie positive Verstärkung und feiern Sie kleine Erfolge. Positive Anerkennung motiviert Teams, fördert das Erfolgserlebnis und erinnert die Beschäftigten an die Vorteile von Veränderungen. Dies gleicht den Stress der Transformation zusätzlich aus.
Autor(en)
Dominik is founder of viadoo and has managed change and communication projects for SMEs as well as DAX corporations like Airbus, BMW, ESG, IABG, KMW, MTU, MTRI, OHB, RUAG, ZF. Based on his expertise, he is very familiar with the importance of the human factor for the success of change projects. The human side of transformation is close to his heart. Dominik combines certified change competence with multimedia storytelling expertise and operational change leadership experience with a high level of methodological competence.