Fünf Gründe, warum Transformationen scheitern – ist es so einfach? Sicherlich nicht. Da wir jedoch seit Jahren Organisationen dabei helfen, erfolgreich von einem Ist- zu einem Soll-Zustand zu wechseln, haben wir mehrere Hauptgründe ausgemacht. Die meisten von ihnen betreffen die sozialen und emotionalen Aspekte von Transformationen. Heute fügen wir den Gründen, die wir bereits in unserem Blogpost „Wie Umstrukturierung (nicht) gelingen kann“ vorgestellt haben, fünf weitere hinzu. Kommen Ihnen Mikromanagement, eine nicht vorhandene Fehlerkultur oder die Überforderung von Führungskräften und Beschäftigten bekannt vor? Dann sind Sie nahe dran an einigen offensichtlichen Antworten auf die Frage, warum Transformationen scheitern.
1. Unternehmensvision ersetzt Veränderungsvision
Jede Veränderungsinitiative oder Transformation braucht eine Vision. Diese Bilder von der Zukunft sollten emotional sein. Deshalb sind sie Teil der sozialen und emotionalen Aspekte jeder Veränderung. Visionen für den Wandel enthalten einen glühenden Wunsch. Zugegeben, sie sind recht unspezifisch. Aber sie geben den Teilnehmern eine klare Richtung vor. Erinnern Sie sich nur an John F. Kennedys Rede „Wir wollen zum Mond“.
Die Entwicklung einer Vision für den Wandel kann recht zeitintensiv sein, da Beschäftigte aktiv einbezogen werden müssen. Andernfalls würden sie kaum eine intrinsische Motivation oder gar den Wunsch entwickeln, sich aktiv einzubringen. Doch das ist gut investierte Zeit, denn das Zugehörigkeitsgefühl sowie die Veränderungsziele, Strategien und Maßnahmen basieren auf einer solchen Veränderungsvision.
Leider finden wir stattdessen immer wieder Folgendes vor:
- Veränderungsvisionen werden durch Unternehmensvisionen oder sogar Unternehmensstrategien ersetzt, die nur wenig mit dem Veränderungsprojekt oder der Transformation zu tun haben (kein Fokus auf die Rolle der Beschäftigten bei der Veränderung, kein starkes Engagement für die Veränderung, kein Hinweis auf das Gefühl der Dringlichkeit usw.).
- Veränderungsvisionen werden ohne eine angemessene Beteiligung der Beschäftigten festgelegt.
Beide Fehler zusammen bilden den ersten – oft unterschätzten – Grund, warum Transformationen scheitern.
2. Überforderung des mittleren Managements
Das führt uns direkt zu Grund Nummer zwei: Die Blaupause einer Veränderungsvision, die operative Kapazitäten und strategische Ziele aufeinander abstimmt, wird als Target Operating Model (TOM) bezeichnet. Die Entwicklung eines solchen TOM und des dazugehörigen Fahrplans kann ebenfalls eine sehr komplexe Aufgabe sein. Vor allem, wenn man es mit mehreren Dutzend Verbesserungs-, Innovations-, Kostensenkungs- oder sonstigen Projekten des Top-Managements zu tun hat. Dann ist sicherlich geboten, komplexe TOMs und TOM-Roadmaps zu erstellen.
Es macht jedoch keinen Sinn, diese Komplexität eins zu eins auf das damit verbundene Change Management zu übertragen. Ganz im Gegenteil! Das Transformation Office (TO/CMO) muss die Beschäftigten – insbesondere das mittlere Management – so weit wie möglich entlasten. Denn es ist auf die Führungskräfte angewiesen, um die Transformation zum Erfolg zu führen. Es sind die Führungskräfte, die mit ihren Teams über die Transformation kommunizieren und sie aktiv einbeziehen – zusätzlich zu ihrem ohnehin schon anspruchsvollen Tagesgeschäft. Dies erfordert maßgeschneiderte und schnell verständliche Materialien und nicht nur Kopien von komplexen TOMs.
sind dann auch noch Leider müssen wir immer wieder erleben, dass Führungskräfte völlig überladene Präsentationen (mit den meisten Infos in den Notizen) erhalten, die nicht ihren individuellen Anforderungen entsprechen. Selbst in Unternehmen mit mehr als 3.000 Managern. Infolgedessen wird die Transformation für sie zu einem roten Tuch, das sie entweder ignorieren oder aktiv behindern, indem sie finanzielle Mittel, Personal oder technische Unterstützung zurückhalten. Letztlich ist also die Überforderung des mittleren Managements ein weiterer Grund für das Scheitern von Transformationen.
3. Kein Kulturwandel im Veränderungsmanagement
Bleiben wir bezüglich des 3. Grundes beim Transformation Office (TO/CMO): Stellen Sie sich ein solches vor, das eine Transformation mit genau der Arbeitsweise und Kultur vorantreiben soll, die durch eben jene Transformation überwunden werden soll. Es beginnt mit komplexem Mikromanagement über mehrere Ebenen und endet nicht mit unzähligen Einladungen zu internen Videoanrufen, die das Delegieren von Verantwortung ersetzen sollen.
Beide sind zeitaufwändig und daher kostenintensiv (multiplizieren Sie einfach die Stundensätze mit der Zeit, die z.B. für zahllose E-Mail-Revisionen aufgewendet werden). Sie stehen oft im Einklang mit einer Unternehmenskultur, in der jedes Versagen sanktioniert wird, in der niemand Verantwortung übernehmen will und in der Führungskräfte behaupten, die einzigen zu sein, die Entscheidungen treffen dürften. Das ist typisch für hierarchische Organisationen.
Leider werden in solchen Unternehmen Transformationen genau auf diese Weise durchgeführt. Selbst dann, wenn die Veränderungsvision einen Wandel der Unternehmenskultur hin zu weniger Bürokratie und mehr Agilität beinhaltet. Wir nennen das „Veränderungsmanagement durch Befehl und Kontrolle“. Das ist nicht effektiv, insbesondere wenn es um kulturelle Veränderungen geht – denn diese Art von Veränderungen erfordern eine besonders starke intrinsische Motivation. Letztlich ist also der fehlende Kulturwandel im Veränderungsmanagement ein weiterer Grund für das Scheitern von Transformationen.
4. Falsche Etikettierung des Veränderungsprojekts
Werfen wir nun einen Blick auf den Vorstand als 4. Quelle für gescheiterte Transformationen: Stellen Sie sich ein fiktives Unternehmen vor, das sein EBIT-Ziel um fast eine Milliarde Euro verfehlt hat und in den kommenden Jahren Hunderte von Millionen einsparen muss. Stellen Sie sich außerdem vor, dass diese unterdurchschnittliche Leistung nicht neu ist und dass der Aufsichtsrat die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens bereits in Frage gestellt hat. Angesichts solch schlechter Bedingungen würden Sie annehmen, dass in einem solchen fiktiven Fall (zumindest) ein Turnaround dringend geboten ist. Um schnell (!) die Rentabilität / EBIT-Marge, das Umsatzwachstum, den Cashflow, die Zufriedenheit von Kunden und Mitarbeitern sowie das Vertrauen der Stakeholder wiederherzustellen.
Weigerung, einen Turnaround als Turnaround zu bezeichnen
Es ist natürlich für jeden CEO und jedes Vorstandsmitglied eine Herausforderung, der Belegschaft (und dem Betriebsrat) eine solche Wahrheit aufzutischen. Vor allem im Hinblick auf das Risiko, dass die besten Mitarbeiter frühzeitig das Schiff verlassen könnten. Aber es ist eine Aufgabe, die erledigt werden muss. Leider hat nicht jeder CEO den Mut dazu. Manche nennen daher einen De-facto-Turnaround lieber eine „Transformation“ und erwecken damit bei den Beschäftigten den falschen Eindruck, dass die Dinge früher oder später schon wieder ins Lot kommen werden. Dazu bräuchten die Beschäftigten etwa nur die Reisekosten und die Häufigkeit ihrer Meetings reduzieren. Was dann allerdings auch für Führungskräfte und Vorstandsmitglieder gelten sollte.
Kurzfristige Kürzungen statt langfristigem Wandel
Die Krux an der Sache ist, dass die Belegschaft eine falsche Etikettierung schnell erkennt. Denn in solchen De-facto-Turnarounds initiiert der Vorstand notwendigerweise zahlreiche Projekte, um Kosten und Komplexität zu reduzieren oder die operative Exzellenz zu verbessern. Für die Beschäftigten stellt sich die offiziell genannte „Transformation“ dann ganz schnell als massiver Turnaround heraus. Das bedeutet, dass man den Menschen nicht die Zeit für einen langfristigen Wandel (aka Transformation) einräumt, wie der Begriff „Transformation“ suggeriert. Stattdessen werden sie bald mit kurzfristigen Maßnahmen zur Kostensenkung konfrontiert sein – vielleicht sogar mit dem Verkauf einzelner Einheiten oder mit dem Abbau von Arbeitsplätzen.
Ein Fehler, der zusätzliche Zeit kostet
Infolgedessen verlieren Beschäftigte weiter Vertrauen, das die Change Manager bzw. die Experten für Veränderungskommunikation mühsam wiederherstellen müssen. Das kostet mehr von der Zeit, die für einen Turnaround zur Verfügung steht. Letztlich ist also eine falsche Etikettierung ein weiterer häufiger Grund für das Scheitern von Transformationen.
5. Verspäteter Beginn des Change Management
Apropos Vorstand: Unternehmen in Deutschland wechseln ihre CEOs in der Regel alle 6 bis 8 Jahre. Das bedeutet, dass der durchschnittliche CEO in der ersten Hälfte seiner zweiten Amtszeit zurücktritt (oder zurücktreten muss). Kein Wunder, dass neue CEOs oft schon kurz nach ihrer Einstellung mit Veränderungsprojekten oder Umstrukturierungen beginnen. Sie wollen ambitionierte Ziele setzen und schnell positive Ergebnisse erzielen. Wie bei den meisten Transformationen stehen auch bei diesen Projekten die technischen Aspekte oft im Vordergrund:
- Zunächst teilt der neue CEO den Beschäftigten mit, dass das Unternehmen aus mehreren Gründen umgestaltet werden müsse.
- Dann beginnt der Vorstand – in der Regel zusammen mit externen Beratern – mit der Ausarbeitung von Projekten zur Verbesserung, Innovation, Kostensenkung oder was auch immer.
- In dieser Phase werden oft nur wenige Informationen an die Belegschaft weitergegeben. So breiten sich Gerüchte aus und jeder hört etwas anderes aus der Gerüchteküche. Fakten werden durch Fake News sowie durch negative Emotionen wie Angst oder Wut, Widerstand und Misstrauen ersetzt.
- Schließlich, nach Monaten, beginnt das Management mit der Umsetzung der Projekte (auch bekannt als die technischen Aspekte der Transformation) und informiert die Belegschaft.
Ein weiterer zeitraubender Fehler
Viel zu oft wird erst an diesem Punkt internes oder externes (wie viadoo) angetriebenes Change Management auf die Bühne gebracht. Leider hatten in den Monaten zuvor bereits viele Mitarbeiter das Unternehmen verlassen oder ihr Vertrauen und ihre Loyalität in den Wind geschlagen. Wenn es also endlich darum geht, den Wandel zu managen, besteht die dringendste Aufgabe darin, das Vertrauen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern wiederherzustellen. Das nimmt viel Zeit in Anspruch und verzögert die Umwandlung, um effektiv zu sein. Aber raten Sie mal? Zeit ist das Einzige, was die meisten CEOs, Vorstandsmitglieder und Stakeholder in der Regel nicht haben. Ein verzögerter Beginn des Veränderungsmanagements führt also unweigerlich zu zusätzlichen internen Interessenkonflikten und Prioritäten. Das sind unsere letzten Gründe, warum Transformationen scheitern – für heute.
Autor(en)
Dominik is founder of viadoo and has managed change and communication projects for SMEs as well as DAX corporations like Airbus, BMW, ESG, IABG, KMW, MTU, MTRI, OHB, RUAG, ZF. Based on his expertise, he is very familiar with the importance of the human factor for the success of change projects. The human side of transformation is close to his heart. Dominik combines certified change competence with multimedia storytelling expertise and operational change leadership experience with a high level of methodological competence.