Unter der Bezeichnung „BR hoch drei“ treibt die neu geschaffenen Hauptabteilung „Strategie und Innovationsmanagement“ des Bayerischen Rundfunks (BR) seit 2011 den Umbau des Senders im Rahmen einer Transformation zu einem trimedialen Medienhaus voran. Am Ende sollen zuvor in Silos getrennt agierende Redaktionen gemeinsam planen, recherchieren, sich austauschen und auf diese Weise die journalistischen Angebote für die Nutzer auf allen Ausspielkanälen ausbauen. Am weitesten fortgeschritten in diesem Veränderungsprozess ist das Studio Franken des BR in Nürnberg. Dort entstand das trimediale Aktualitätenzentrum („AktZent„). Spatenstich war im Dezember 2010, die Kosten betrugen knapp fünf Millionen Euro. Der Autor bekam exklusive Einblicke hinter die Kulissen dieses Newsroom-Setups.
Ein Studio für lokale und nationale News
Um die Vorteile des AktZent verstehen zu können, ist ein kurzer Blick auf das gesamt BR-Studio Franken notwendig: Der seit 1949 betriebene Komplex aus unterschiedlich großen Gebäuden in einem Parkgelände in der Wallensteinstraße in Nürnberg ist eines von über 20 ARD-Studios in Deutschland. Von dort aus versorgen rund 320 feste und freie Beschäftigte ein Gebiet so groß wie Hessen via Online, Fernsehen und Hörfunk mit journalistisch aufbereiteten Informationen. Neben der Produktion der eigenen Sendungen steuert BR Franken Beiträge für bundesweite Sendungen in der ARD bei.
Aus Platzgründen mussten 2008 die Fernseh-Redaktion und die Online-Redaktion den Studiopark verlassen und in ein Gebäude in die benachbarte Edisonstraße ziehen. Durch den zweistöckigen AktZent-Neubau im Studiopark entstanden 70 Arbeitsplätze. Dort sind nun die aktuellen Fernseh-, Hörfunk- und Online-Redaktionen wieder vereint. Im ersten Stock befindet sich das Herz des AktZent, der trimediale Newsroom. Rund 50 Funktionsarbeitsplätze sind auf einer großen Teamfläche verteilt. Durch Schichtbetrieb bieten sie Platz für über 120 Medienschaffende. In den Stockwerken darunter sind die Produktionsräume untergebracht (vgl. Foto-Galerie).
Newsroom-Setup: Das Planungs-Desk
Gleich neben den abgetrennten Büros der beiden AktZent-Chefs Stephan Kirchner und Gerhard Kockert bilden die Schreibtische von sechs Mitarbeitern das Planungs-Desk, also die trimediale Planung und Recherche.
Im Einzelnen arbeiten an dieser Schreibtisch-Insel ein Online-, ein TV– und ein Radio-Vorplaner. Hinzu kommt ein
Die Planer werden von einer Asssistenz unterstützt, die interessanterweise gleichzeitig Social-Media-Managerin ist. Wie bei allen modernen Medienhäusern werden natürlich auch im AktZent Themen und Termine in spezielle Softwaretools eingepflegt, die das Zusammenarbeiten erleichtern und den Cross-Media-Workflow steuern.
Eine weitere Besonderheit in der Vorplanungsgruppe stellt ein Arbeitsplatz für Mitarbeiter aus dem TV- und Radio-Archiv (Mediendokumentare) dar. Im Wochenrhythmus sitzt eine/r von ihnen am Planungs-Desk und erstellt für die Kollegen Dossiers und Fact-Sheets. Diese Zusammenstellungen können Videos, Audio-Files, Presseartikel, Fotos und Web-Content enthalten. Als primäre Rechercheinstrumente dienen ihnen ein Video-Asset-Management-System (ViAM) sowie der so genannte Medienbroker für die Suche in allen BR-Archiven und zum Teil ARD-weit.
Newsroom-Setup: Das Nachrichten-Desk
Unmittelbar neben dem Planungs-Desk befindet sich der so genannte Nachrichten-Desk. Dort sprechen sich Journalisten aller drei Mediengattungen über die aktuelle Nachrichtenlage ab, schicken Korrespondenten vor Ort und produzieren Nachrichten für alle Ausspielkanäle. Für Radio-News wurde speziell ein modernes Glasstudio in die Teamfläche integriert. Neuigkeiten können somit noch schneller auf Sendung gehen.
Für Bewegtbild-News sind unter anderem ein Videojournalist (VJ) und ein Videoredakteur zuständig, die NiFs (Nachrichten im Film) für Online produzieren. Korrespondenten und Reporter wurden übrigens mittels Mobile Reporting Workshops in der Medienproduktion mit mobilen Geräten geschult, um Qualitätsjournalismus im Digital-Media-Zeitalter zu sichern.
Am Nachrichten-Desk hat schließlich auch der Online-CvD seinen Platz. Er fungiert als zentraler Koordinator für Webcontent auf den Regionalportalen von BR-Online. Bevor Inhalte veröffentlicht werden, nimmt er sie ab. Unterstützt wird er unter anderem von vier Online-Kollegen an einer nebenstehenden Schreibtisch-Insel. Ein Multimedia-Assistent stellt abends Bilder und Filme ins Netz. Auch für die Pflege der Metadaten sind die Onliner verantwortlich.
Newsroom-Setup: Das CvD-Desk
Währen der Online-CvD (Chef vom Dienst) am Nachrichten-Desk sitzt, haben der TV-CvD und der Radio-CvD ihre Arbeitsplätze am unmittelbar angrenzenden CvD-Desk. Die CvDs wechseln sich ab in der Funktion des Tages-CvD, der über die mehrmedialen Themen des Tages
Dort sitzen täglich um 8:15 Uhr trimediale Redakteure bzw. Mitarbeiter zusammen. Nach einer kurzen Presseschau besprechen sie, was in welchem Medium wann und wie auf Sendung geht. Per Videoschaltung ist stets das Studio Mainfranken aus Würzburg mit am Tisch, das von Eberhard Schellenberger geleitet wird. Die Themen- und Terminplanung wird per Beamer an die Wand geworfen. Ehrgeiziges Ziel von AktZent-Koordinator Stephan Kirchner und seinem Team ist es, die BR-Nutzer in Franken jeden Tag mit bis zu drei eigenen trimedialen Geschichten zu überraschen.
Es macht immer wieder Freude, erfolgreiche Konzeptionen für integrierte Kommunikation hautnah zu erleben. So erging es dem Autor schon vor zehn Jahren bei Besuchen der Newsrooms von Financial Times Deutschland (präsentiert damals durch Chefredakteur Christoph Keese) und von BILD (präsentiert durch Kai Diekmann). Das Aktualitätenzentrum des BR ist die richtige Antwort auf den rasanten Wandel der Mediennutzung. Der BR befindet sich damit in bester Gesellschaft. Denn wie sagte zum Beispiel der Herausgeber der New York Times, Arthur Sulzberger Jr., im November 2012? “Our future is on to video, to social, to mobile.“
Fotos vom Newsroom-Setup
Alle Bilder: © Faust / viadoo GmbH
Updates
Update vom 14. November 2013:
Das Projekt „BR hoch drei“ entwickelt sich laut einer Pressemitteilung des BR erfolgreich weiter: In seiner heutigen Sitzung billigte der BR-Rundfunkrat einstimmig die Pläne der Geschäftsleitung zur Etablierung einer multimedialen Informationsdirektion. Darunter werden ab Mai 2014 die Internetredaktion und folgende, aktuell arbeitende Programmbereiche subsumiert: „B5 aktuell – Politik und Wirtschaft“ (Hörfunkprogrammbereich), „Politik“ u.a. mit den Nachrichtensendungen Abendschau und Rundschau sowie „Sport und Freizeit“ (Fernsehprogrammbereiche). Die multimediale Informationsdirektion wird auch für das trimediale Aktualitätenzentrum zuständig sein, das derzeit in
Update vom 13. Dezember 2013:
In einem BR-internen Interview erläutert Intendant Ulrich Wilhelm seine Pläne zur Schaffung einer neuen Direktion „Information“: „Künftig fassen wir Redaktionen zusammen, die dann Themen gemeinsam planen und recherchieren sowie für alle Ausspielwege aufbereiten, also für Fernsehen, Radio, Internet und Social Media.“ Die Informationsdirektion wird somit die erste medienübergreifende Programmdirektion des BR, unter der alle aktuellen Redaktionen aus Hörfunk, Fernsehen und Online unter einer Verantwortung zusammengefasst sein werden. Ab 1. Mai 2014 wird Thomas Hinrichs die neue Position des Informationsdirektors besetzen. Er ist bislang als Zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell für die „Tagesthemen“ verantwortlich. Außerdem hatte der BR-Rundfunkrat den bisherigen Leiter des BR-Studios Franken, den gebürtigen Würzburger Martin Wagner (s.o.), zum neuen Hörfunkdirektor berufen.
Update vom 19. März 2019:
In den zurückliegenden Jahren wurden schrittweise alle Programmbereiche des Bayerischen Rundfunks nach Themengebieten medienübergreifend zusammengeführt. Den Direktionszuschnitt nach den traditionellen Ausspielwegen „Hörfunk“ und „Fernsehen“ wird es gemäß einer Pressemeldung des BR ab 1. Juli 2020 im Bayerischen Rundfunk nicht mehr geben. Sie werden abgelöst durch die Programmdirektion „Kultur“ (Bayern 2, BR-Klassik, Planungen für das Bayerische Fernsehen, ARD-alpha, 3sat und der Digitalsender „BR Heimat“) und die Programmdirektion „Information“ (Bayern 1, Bayern 3, Puls, Politik & Wirtschaft sowie Sport & Freizeit).
Update vom 29. Juni 2020:
BR-Intendant Ulrich Wilhelm erklärt in einer Pressemitteilung den trimedialen Umbau des Bayerischen Rundfunks auf organisatorischer Ebene für abgeschlossen. Anlass ist das altersbedingte Ausscheiden von Hörfunkdirektor Martin Wagner in den Ruhestand. Seine Position wird gestrichen, sodass nur die im Vorjahr angekündigten Posten des Informationsdirektors und des Kulturdirektors verbleiben.
Zuletzt aktualisiert am 10/30/2025
Autor(en)
Dr. Dominik Faust ist Gründer der viadoo GmbH. Als Top-Management-Berater mit langjähriger Führungserfahrung entwickelt er seit Jahren Change- und Kommunikationskonzepte für KMUs und DAX-Konzerne und setzt sie erfolgreich um. Mit der Bedeutung des Faktors Mensch für den Erfolg von Veränderungsprojekten ist er bestens vertraut. Die menschliche Seite der Transformation liegt ihm daher besonders am Herzen. Dominik verbindet zertifizierte Veränderungskompetenz mit multimedialer Storytelling-Expertise und operativer Change-Leadership-Erfahrung mit hoher Methodenkompetenz.












